Homo futurus

"Gott ist tot"

 

«(...) Der tolle Mensch sprang mitten unter sie (...). "Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet,  ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? (...) Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? (...) Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? (...) Ist nicht die Grösse dieser That zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine grössere That, – und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört um dieser That willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte bisher war!"» (Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft. Chemnitz, 1882)

Nietzsche beeindruckt mit seiner magischen Bildsprache noch heute und provoziert zur Stellungnahme. Er stellt den Tod Gottes als Ermordung durch den Menschen und als Drama für die Menschheit dar.

 

"Der tolle Mensch" des 21. Jahrhunderts

Was hat die Mitteilung des 'tollen Menschen' zu bedeuten?

Wir Menschen verzichten auf eine uns übergeordnete Macht.

Wir sind selbst Mächtige, nur uns und allenfalls der Erde gegenüber verantwortlich.

 

  • Gottes Tod ist vielen Leuten in der Moderne wie in der Zukunft weder Verlust noch Drama.
  • Mit der 'Tötung Gottes' verabschieden wir die uns auferlegte Ordnung, den Sinn und Zusammenhalt der Dinge. Wir wissen, dass wir auf uns allein gestellt sind.
  • Wir allein tragen hierfür die Verantwortung.

 

Die Folgen werden im 21. Jahrhundert deutlich, am dramatischsten in der Gentechnologie und der Künstlichen Intelligenz (hier verstanden als sich selbst replizierende, bewusste Maschinen).

 

  • Gentechnische Aufrüstung des Menschen und die Schaffung der bewussten KI gleichen einem Schöpfungsakt.
  • Der Mensch baut sich willentlich um in der Hoffnung auf ein längeres und besseres Leben.
  • Er verwandelt sich in neue Arten, vom Homo sapiens zum Homo profectus und später über den fortgeschrittenen Homo transhumanus schliesslich zum Homo posthumanus.
  • Der Jetztmensch evolviert künstlich zum Zukunftsmenschen und weiter zur bewussten Künstlichen Intelligenz. In letzter Konsequenz erschafft er sich neu auf abiotischer Grundlage, als Android oder Morphoid.
  • Weder die 'blinde' Natur (natürliche Evolution) noch ein 'finaler' Gott bringen den Prozess voran, sondern der planende Mensch.

 

Im Kontext mit Nietzsches Aphorismus mag einmal die Schlussfolgerung zu ziehen sein: Gott ist tot. Ich bin Gott.